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Bert brecht Olt die Ohren (Skizzen und Ergebnis)

Manchmal ist es interessant, nicht nur das fertige Produkt zu sehen, sondern etwas über den Entstehungsprozess zu erfahren. Für das Künstlerbuch Bert brecht Olt die Ohren sind insgesamt 13 etwas aufwändigere Zeichnungen und über 25 kleinere Zeichnungen und handgeschriebene Texttäfelchen entstanden. Da das Zeichnen mit Pigmentliner keinerlei Korrekturen erlaubt, habe ich vorab meine Vorstellungen grob skizziert, um sie dann mit vielen Details spielerisch ins finale Medium umzusetzen. Hier drei Beispiele zum Vergleich:

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Bert brecht Olt die Ohren (Künstlerbuch)

Die Geschichte vom Kaninchen namens Olt, das dem Künstler Bert als Modell dient, gibt es nicht nur in der digitalen Welt meines Blogs zu bestaunen, sondern auch ganz real als Künstlerbuch zu erwerben, das ich in einer Kleinstauflage von 5 Stück (+ 1 Artist Print) selbst hergestellt habe, indem ich die Original-Zeichnungen eingescannt, auf Büttenpapier gedruckt, zugeschnitten und mit einem Faden per Hand gebunden habe. Das kleine Büchlein umfasst insgesamt 32 Seiten. Hier ein paar Impressionen:

 

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Ein Kaninchen namens Olt

Vor ungefähr drei Jahren habe ich eine Geschichte über den Künstler Bert und sein treues Kaninchen Olt geschrieben, die ich zur Zeit illustriere und die dann im Zentrum meiner Ausstellung im Braunschweiger Tatendrang-Laden stehen wird, auf die ich mich schon sehr freue. Als eine kleine Vorschau hierauf gibt es nun ein paar „transformierte“ Kaninchenbilder zu sehen – die Anführungszeichen deshalb, da Bert seine Olt-Fotografien digital bearbeitet, ich hier hingegen rein analog mit Bleistiftvorzeichnung und Fineliner gearbeitet habe, um zu verschiedenen Varianten desselben Motivs zu gelangen (ein wenig so wie bei den Bäumen).

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Bert brach Olt die Ohren

Bert hielt sich in den letzten Tagen, nein: Wochen, Monaten, keine einzige Sekunde in seinem Atelier im Dachgeschoss eines alten Bauernhauses auf, sondern verbrachte seine freie Zeit am Schreibtisch, genauer: an seinem neuen Spielzeug, einem digitalen Bildbearbeitungs­programm. Über die Jahre hinweg hatte er hunderte, wenn nicht gar tausende von Fotografien seines treuen Albinokaninchens, dem er aus Jux den Namen Olt gegeben hatte und das alljährlich von der Schlachtbank verschont blieb, da es sich als geduldiges Modell erwies, angefertigt, die er nun endlich zu überarbeiten gedachte. Er experimentierte mit Filtern, mit Masken, probierte sämtliche Transformationseffekte aus, die das Programm ihm zu bieten hatte, er justierte Gradationskurven, manipulierte Tonwerte, dehnte und verzerrte in seinem nicht enden wollenden Wahn die Bilder Olts, die immer stärker zu Versuchskaninchen seiner Besessenheit wurden. Immer wieder machte er sich daran, in die dilettantische Ästhetik seiner ersten Versuche einzugreifen, machte misslungene Schritte rückgängig und speicherte jeden Zwischenstand ab. Überhaupt liebte Bert das Undo sehr, erlaubte es diese Funktion ihm doch, seiner Kreativität ohne Angst völlig freien Lauf zu lassen, Olt etwa bedenkenlos zu einem unansehnlichen Ungeheuer aufzublasen, ihm schwarzes Fell und grausig leuchtende Augen zu verpassen, um ihn dann mit einem Mausklick wieder in das harmlose Kaninchen zurückzuverwandeln, das er nun einmal war.

Nachdem Bert schließlich so etwas wie Expertise auf diesem Gebiet erreicht hatte, ja sogar bereits die ein oder andere Ausstellung mit seinen digitalen Bildern bestückt hatte, sehnte er sich wieder nach echter Farbe, nach dem beißenden Geruch von Öl und Terpentin. Inspiriert von den teils psychedelisch anmutenden Ergebnissen seines Photoshop-Exzesses, stapfte er am Nachmittag eines regnerischen Tages um 15:24 Uhr endlich einmal wieder in sein ihm so vertrautes Atelier, in sein altes Reich, um eines seiner digitalen Kaninchen in Malerei umzusetzen. Ebenso wie sein prominenter Namensvetter schon 1931 konstatiert hatte, dass der Filmsehende Erzählungen anders liest als derjenige, der keine Filme rezipiert, umgekehrt aber auch der Schriftsteller die filmischen Konventionen in sein literarisches Werk über­nähme, musste Bert nun seinerseits feststellen, dass er nicht nur seine alten Gemälde durch die Brille eines an digitaler Bildbearbeitung Geschulten sah, sondern auch die Arbeitsweise an seinem neuen Projekt der spezifischen Prozesshaftigkeit digitaler Bild­bearbeitung unterlag. Statt seine Vorlage systematisch zu kopieren, legte Bert Ebene über Ebene und verteilte die Farben in großen Mengen auf der Leinwand. Plötzlich hielt er für einen Augenblick inne und betrachtete sein Ergebnis. Er war damit nicht zufrieden, ja sogar ganz und gar unzufrieden. Die letzte, voreilig aufgetragene Farbschicht – ein gebrochenes Dunkelgrün – hatte die Wirkung seines subtilen Farbspiels völlig zerstört. Reflexartig dachte Bert daran, die Transparenz dieser Ebene einfach ein wenig zu mindern oder gar diesen Schritt vollständig rückgängig zu machen. Er torkelte zurück, denn es wurde ihm schlagartig bewusst, dass dies nicht ging, er konnte ihn nicht rückgängig machen – so wie bei seinem Bildbearbeitungsprogramm, an das er sich so sehr gewöhnt hatte. Voll innerer Verzweiflung sah Bert sein Können schwinden und sank erschöpft zu Boden. Eine zähe Müdigkeit überfiel ihn, so dass er innerhalb weniger Sekunden weggenickt war.

Olt, zum sinnbildlichen Opfer des misslungenen Versuchs medialer Transformationen geworden, hoppelte um 19:02 Uhr an Berts gekrümmten Körper vorbei, beschnupperte dessen Gesicht und guckte ihn aus seinen roten Augen vorwurfsvoll an. Der Künstler schreckte aus seinem traumlosen, aber dennoch unruhigen Schlaf hoch, erwiderte Olts Blick mit einer eisigen Kälte, so als sei Olt allein für sein Versagen verantwortlich, und griff wütend nach dem Tier. Ruhig betrachtete er es von allen Seiten, dann schleuderte er es angewidert von sich und brach Olt dabei die Ohren.

Die Referenz auf Bertolt Brecht stammt aus Christopher Balmes Aufsatz „Theater zwischen den Medien: Perspektiven theaterwissenschaftlicher Intermedialitätsforschung“, der 2003 in dem Sammelband Crossing Media erschien. Brechts auf die Intermedialitätsdebatte bezogene Beschreibung des oben genannten Phänomens aus dessen Schrift „Über die Dreigroschen­oper“, die auf der zwanzigsten Seite des Bandes von Balme zitiert wird, inspirierte mich zu vorliegendem Text.