Veröffentlicht am Schreib einen Kommentar

Die gelbe Tapete

In meinem ganzen Leben habe ich noch keine so schlimme Tapete gesehen. Sie hat ein wildwucherndes, üppiges Muster, das allen Regeln der Kunst zuwiderläuft. Es ist so wirr, daß einem die Augen flimmern, wenn man dem Muster nachspürt, so ausgeprägt, daß es ständig irritiert und näheres Hinsehen verlangt; und folgt man den schwachen, unsicheren Kurven eine kurze Strecke, dann begehen sie plötzlich Selbstmord – tauchen in haarsträubenden Winkeln ab, zerstören sich in unerhörten Widersprüchen. Die Farbe ist abstoßend, geradezu ekelhaft, es ist ein schwelendes, schmutziges Gelb, das von dem langsam wandernden Sonnenlicht merkwürdig ausgebleicht wurde. An manchen Stellen ist es ein mattes und doch schreiendes Orange, an anderen ein kranker Schwefelton.

Charlotte Gilman Perkins, 1892

Mit „The Yellow Wallpaper“ (dt. „Die gelbe Tapete“) schrieb Charlotte Gilman Perkins Literaturgeschichte. Die autobiografisch geprägte Kurzgeschichte handelt von einer Frau mit postnataler Depression, die von ihrem Ehemann, einem Arzt, eine Ruhekur verschrieben bekommt. Im eigens dafür angemieteten Sommerhaus soll sie sich erholen. Die Einrichtung des ihr zugewiesenen Zimmers wird von einer gelben Tapete dominiert, die bald auch ihre Gedanken voll und ganz einnimmt. Dass dies nicht unbedingt heilsam ist, sondern zu einer ausgeprägten Psychose führt, schildert sie eindrücklich.

Im Göttinger Salon für Kunst und Kultur – kurz Sakuku – fand am 5. April 2018 eine Lesung der Kurzgeschichte mit Klangspiel statt. Parallel und ergänzend hierzu wurde eine Ausstellung konzipiert, zu der auch ich drei Bilder beigetragen habe. Gezeichnet mit Fineliner auf Papier, Format: 10 x 15 cm. Das Gelbe in den Bildern ist Bananenpapier, faserig und von einer rauen Haptik. Steht das Papier in dem einen Bild noch buchstäblich für die Tapete, hinter der ein Auge hervorlugt, so fungiert es in den anderen beiden als stark wucherndes Haar einer Frau, sei es der Autorin oder Protagonistin.

Veröffentlicht am Schreib einen Kommentar

PATTERN WALK #1

It’s time to start a new art project: PATTERN WALKING. PATTERN WALKING has a double meaning: walking through a city entailing a specific rule or pattern on your walk and generating a pattern while doing this. It’s a project inspired by psychogeography explored by artists like Guy Debord in the 1950s or newer approaches of alternative ways of tourism, coming into vogue under the label experimental travel. It’s about exploring the urban space in an alternative way, discovering things you otherwise wouldn’t have discovered. Because of trail tracking apps that allow tracking your undertaken walk through the city of your choice, you explore the urban space twice: first while you’re walking using a particular rule like turning alternating right and left, second when you’re looking at the specific pattern of your walk on a map.

First walk. Starting at my front door, turning right, left, right, left… Scary experience: Walking through Göttingen following this simple rule, you won’t walk in a zig-zag-pattern transverse the city but in a loop. It’s true: Today Daniel and me started at Ritterplan 3 and ended up at Ritterplan 3 after 20 iterations of the chosen right-left-pattern for that first test walk.

START: Ritterplan 3, Göttingen
PATTERN FOR THAT WALK: right, left (starting with right)
ITERATIONS: 20
DURATION: 52 minutes
DISTANCE: 3,5 km
STOP: Ritterplan 3, Göttingen

Veröffentlicht am 5 Kommentare

Space Invaders erobern Göttingen!

Space Invaders ist ein japanisches Arcade-Spiel aus den späten 1970ern. Die kleinen Figuren sind jedoch nicht nur in der virtuellen Welt zuhause, sondern erobern den öffentlichen Raum weltweit. Beim Flanieren durch die Stadt ist mir vor kurzem aufgefallen, dass die Invasion nun bis nach Göttingen vorgedrungen ist! Drei dieser Eindringlinge konnte ich heute fotografisch einfangen – aber: gibt es noch mehr von ihnen? Und wo verstecken sie sich?

Space_Invader_01_klein

Space_Invader_02_klein

Space_Invader_03_klein

Veröffentlicht am Schreib einen Kommentar

Tagung: Euphorie und Angst

Das digitale Bild und die Veränderungen, die mit einem Wandel vom Analogen zum Digitalen einhergehen, lösen in der Kunstgeschichte und verwandten Disziplinen unterschiedlichste Reaktionen aus, die zwischen Euphorie und Angst schwanken. Diesen Reaktionen und dem Spezifischen des digitalen Bildes geht die von Harald Klinke und Lars Stamm organisierte Tagung Euphorie und Angst. Reaktionen auf neue Bildmedien im digitalen Zeitalter nach. Ich werde hier über digitale Methoden und deren Potential für die Kunstwissenschaft sprechen und freue mich schon auf den regen Austausch mit Fachkollegen.

Tagung_Digitalbild_Goettingen

Veröffentlicht am Ein Kommentar

Pictor Doctus


Seit 28. Februar 2012 sind in der Göttinger Zentralmensa Bilder von KunsthistorikerInnen zu sehen, u.a. auch von mir. Die Ausstellung, die von Simone Arndt und Kristine Siebert initiiert wurde, beschäftigt sich mit dem Phänomen des malenden Kunsthistorikers, des so genannten Pictor Doctus:
Früher wie heute beinhaltet das Studium der Bildenden Künste völlig selbstverständlich auch Kenntnisse der Kunstgeschichte. Doch umgekehrt ist dies, zumindest offiziell, nicht der Fall, denn die künstlerische Praxis ist nicht im Studienplan angehender Kunsthistoriker enthalten. Tatsächlich findet sich kaum ein Kunsthistoriker, der sich nicht für eine gewisse Zeit selbst am praktischen Kunstschaffen versucht. Und warum auch nicht? Kann und darf man denn nicht beides sein? Kunsthistoriker und Künstler?

Ausstellende KünstlerInnen: Marija Brzoska, Marna Carlowitz, Nadja Dückmann, Laura Marahrens, Maria Pechstädt, Ruth Reiche, Imke Seidel, Kristine Siebert, Valerie Voß, Prof. Dr. Carsten-Peter Warncke.