Ein originales Kunstwerk in „Postkartenformat“ – so die Vorgabe der Twitter Art Exhibit, die 2016 in New York City stattfinden soll. Welches Motiv wäre für ein solch kleines Format geeignet? Die Antwort war schnell gefunden: Ein Baum. Inspiriert vom Prinzip der so genannten Pythagoras-Bäume, auf dem schon die Schmetterlingsfraktale beruhen, habe ich eine Form als Baustein genutzt und mich vom Ergebnis überraschen lassen. Ich konnte gar nicht mehr aufhören, so fasziniert war ich von der Vielfalt der Möglichkeiten innerhalb meines eng gesteckten Rahmens: Wie in einem Rausch habe ich die letzten Abende über viele kleine Bäume gezeichnet, alle mit Fineliner auf Büttenpapier. Der oberste hat gleich mehreren Leuten am besten gefallen und tritt deshalb am Montag seine Reise in die USA an.
Jahr: 2015
Der Transformation zweiter Teil
Vor einigen Wochen hatten Künstlerinnen und Künstler im Göttinger Umland ihre Ateliers für ein Wochenende lang geöffnet und ich habe hierbei einen Papiermacher in Asche kennengelernt: Andreas Kulpe. Da ich in den letzten Jahren zunehmend digital gearbeitet habe, hat mich die Haptik und Materialität der selbstgeschöpften Papiere sofort gefangen genommen. Ein rot eingefärbtes Spargelpapier – Papier aus echtem Spargel! – hat mich besonders in seinen Bann gezogen… faserig, löchrig… gesehen, gefühlt, gekauft und die Fliegenpilze weiter transformiert. Ihre Hüte bestehen nun aus dem roten Papier und die weißen Flocken sind indirekt dargestellt durch die Löcher im Papier. Seht her und fühlt es!
Fliegenpilz-Transformation
Fliegenpilze sind giftig und wunderschön. Vor längerer Zeit habe ich Giftpilze gezeichnet, mit Bleistift, und beim tristen Herbstwetter bekam ich Lust, mit diesen Bildern weiterzuarbeiten. Dafür habe ich die Bleistiftzeichnungen zum Ausgangspunkt genommen, um eine lineare Zeichnung mit einem Fineliner anzufertigen. Auch die zeitanzeigende Schnecke der Küchenuhr habe ich ‚linearisiert‘ und Pilze und Schnecken schließlich digital zu einem in sich homogenen Bild zusammengefügt. Auf diese Weise wurden die Pilze nicht nur zeichnerisch transformiert, sondern auch inhaltlich: Die Schnecken erwachsen aus dem Pilz bzw. bildet der Pilz ihr Gehäuse.
Schneckenpilz:
Pilzschnecke:
Neun Geschichten, neun Netzwerke
Daniel Kehlmanns RUHM (2009) besteht aus neun einzelnen Geschichten, Episoden, deren Figuren teils überlappen bzw. in einer Beziehung zueinander stehen – sei es, dass Leo Richter, ein Schriftsteller, in der einen Geschichte von einer seiner Romanfiguren erzählt, es sich bei einer anderen dann um die Geschichte ebendieser Romanfigur handelt, oder dass eine Geschichte das Doppelleben eines Abteilungsleiters einer Telekommunikationsfirma schildert, dessen einer Mitarbeiter dafür verantwortlich ist, dass eine Rufnummer nicht korrekt vergeben wurde, was sich wiederum in anderen Geschichten folgenreich widerspiegelt. Zwanzig Figuren konnte ich bereits 2013 als auf derartige Weisen miteinander verstrickt identifizieren und diese Verstrickung mittels einer Netzwerkvisualisierung anschaulich darlegen.
Was ich nun näher anschauen möchte, sind die jeweiligen Personennetzwerke der einzelnen Geschichten. Hierfür habe ich alle vorkommenden Figuren und ihre Beziehungen innerhalb einer Episode erfasst und mit gephi visualisiert. Die zwanzig als zentral identifizierten Figuren haben Profilbilder erhalten, alle anderen werden durch farbige Kreisflächen dargestellt. Die Farbe der Kreisflächen entspricht den 2013 zugewiesenen Kapitelfarben. Die Art der Beziehungen – Ehe, Liebesbeziehung, Gespräch, Blickkontakt etc. – habe ich (noch) nicht gewichtet, so dass die Verbindungslinien alle gleich dick sind und so nur die Anzahl, nicht aber die Art der Beziehung auf die Größe der Knoten im Gesamtgefüge zurückwirkt. Als Algorithmus für die Anordnung habe ich mich für Fruchtermann-Reingold entschieden, da das entstehende Layout gut vergleichbar ist.
Im Vergleich ermöglichen es diese Visualisierungen einen Überblick über die Dichte der jeweiligen Personennetzwerke und die Verteilung der zentralen Figuren zu gewinnen. So ist z.B. auffällig, dass Miguel Auristos Blancos, Autor moderner Erbauungsliteratur, in fast jeder Geschichte am Rande mitspielt, insofern alle seine Bücher lesen, er in seiner eigenen Geschichte – Antwort an die Äbtissin – jedoch nur ein sehr kleines Netzwerk besitzt, in dem keine anderen zentralen Figuren vorkommen. Ähnlich verhält es sich mit Rosalie in Rosalie geht sterben und Maria Rubinstein in Osten, gegenteilig hingegen in Ein Beitrag zur Debatte, einer Episode des Buches, in der viele Fäden zusammenlaufen.
Profilbilder: RUHM
Vor einiger Zeit habe ich das Netzwerk der zentralen Figuren von Daniel Kehlmanns RUHM visualisiert, d.h. visuell dargestellt, welche Figuren aus welcher Geschichte in einer Beziehung stehen. Für eine weitere Visualisierung der einzelnen Geschichten habe ich den zwanzig zentralen Figuren Gesichter verliehen: Profilbilder, einerseits angelehnt an die im 18. Jahrhundert äußerst beliebten Schattenrisse, andererseits erinnernd an Avatare für Internetforen. Als Hilfsmittel zur Umsetzung meiner inneren Bilder dienten mir beliebige Fotografien aus dem Netz, karikierend abgewandelt, oder auch antike Büsten, die Kenner sicher sofort aufspüren.
Ralice
Wie sieht sie wohl aus, die Gespielin des Plabbits? Hier ist die Antwort: Eine Kreuzung aus Alice – wiederum gezeichnet von John Tenniel – und einer weiblichen Variante des Playboy-Hasen, mit einer rosaroten Schleife am Ohr…
Plabbit
Küchenuhr
Zeit fließt bekanntlich viel zu schnell davon, wenn man viel von ihr braucht, und kriecht dahin, wenn sie schnell vergehen soll. Den unentrinnbaren Fortgang der Zeit zeigen Uhren an. Mit jedem Ticken verstreicht eine Sekunde – zumindest war das früher so, als es noch keine Digitaluhren und Mobiltelefone gab. In dieser früheren Zeit gab es Porzellanuhren, z.B. von Junghans, die in keiner Küche fehlen durften. Eine solche habe ich am Wochenende umgestaltet, d.h. mit einem neuen Zifferblatt versehen, an dessen Rand Schnecken sinnbildlich im Uhrzeigersinn entlangkriechen.
Pendelbaum (Teil II)
Für meine Ausstellung habe ich kleine Büchlein mit meinem Pendelbaum-Text in Kleinstauflage angefertigt. Hierfür habe ich die Pendelbaum-Zeichnung digital koloriert und die einzelnen Wörter in changierenden Rottönen eingefärbt. Bilder und Texte habe ich auf Büttenpapier gedruckt, per Hand zugeschnitten und mit einer Fadenheftung gebunden. Außerdem habe ich zu jedem der Büchlein einen farbigen Schutzumschlag angefertigt. Et voilà:
Werwolf
Wer mich noch aus Studienzeiten kennt, weiß, dass ich liebend gerne Mafia gespielt habe. Dieses Spiel hat in den letzten Jahren in seiner Werwolf-Variante zunehmend an Popularität gewonnen. Inspiriert hiervon habe ich schon vor einiger Zeit eigene Charaktere entworfen, die ich nun weiterentwickelt habe. Neben dem obligatorischem Werwolf sind dies der Notarzt, die Dame im Pelzrock, die Seherin, der Jäger, ein Werwolf im Schafspelz, die Kupplerin sowie ein Schafsmensch. Allen gemein ist, dass sie in einer Handlung ‚verstrickt‘ sind, deren Verlauf stark durch ihre jeweiligen Wesenszüge geprägt wird und doch unvorhersehbar ist. Deshalb zieht sich in dieser achtteiligen Bildserie ein Faden durch jedes Blatt, zu Buchstaben geformt. So entsteht eine Geschichte, vervollständigt im Spiel oder aber im Kopf eines jeden Betrachters.
Gamsbart (Color)
Wie manch einer vielleicht schon festgestellt haben mag, macht es mir in letzter Zeit enormen Spaß mit Farbe zu arbeiten. Schwalbenschwanz und Tagpfauenauge sind direkt mit Buntstift gezeichnet, der graue Frosch hingegen ist digital ergrünt und wurde so schließlich zu einem K(R)ÖNIG. Nun ist die an sich bartlose Gams an der Reihe: Mit Bleistift gezeichnet, eingescannt und digital nachkoloriert.
Vorher:
K(R)ÖNIG
Es war einmal ein grauer Frosch, der Farbe bekannt hat. Aus diesem Grund wurde er vor kurzem gekrönt. Doch, halt, dieser Frosch ist gar kein Frosch und damit auch kein Froschkönig, sondern eine Kröte. Dennoch: Die Kröte ist ein König, ein Krötenkönig, ein Krönig.